- Bruder Klaus

"Retter des Vaterlandes" und Schweizer Nationalpatron
Anna Gann / Deutschlandfunk / 21.03.2012

Vor 525 Jahren starb der Einsiedler Nikolaus von Flüe

Als "Retter der Schweizer Nation" und "Mystiker" wird Nikolaus von Flüe bezeichnet, zahlreiche Romane und Schauspiele beschäftigen sich mit seinem Leben und seiner Rolle als Vermittler in einem heiklen Konflikt der Alten Eidgenossenschaft. Heute vor 525 Jahren starb der Familienvater und Einsiedler.

Im Frühjahr 1469 geht im Bistum Konstanz ein Gerücht um: In einer Schlucht bei Sachseln, im heutigen zentralschweizerischen Kanton Obwalden, lebe der fromme Eremit Nikolaus von Flüe ohne Nahrung. Er selbst bekennt im Bericht eines Besuchers:

"Es waren etliche Leute, die sprachen, das Leben, das ich führe, wäre nicht vom lieben Gott, sondern vom bösten Geiste."

Einwohner der Gegend indes verehren "Bruder Klaus", wie er genannt wird, als einen Gottesmann. Durch einen Besuch bei ihm könne man göttliche Gnade erwerben. Der Konstanzer Bischof Hermann der Dritte von Breitenlandenberg ist alarmiert. 

"[Es ist] zu befürchten […], dass […] die einfältigen Schäflein Christi […] in Irrtum und Aberglaube versinken […]."

Eine kirchliche Untersuchung ergibt: Das "Wunderfasten" ist echt, Bruder Klaus ist ein "heiliger Mensch". Die Nachricht zieht zahlreiche Pilger in die Ranftschlucht, darunter berühmte Gelehrte wie den deutschen Frühhumanisten Johannes Trithemius. Fürsten schicken ihre Legaten, zum Beispiel der Herzog von Mailand und der österreichische Herzog Sigmund der Münzreiche. Der Asket selbst äußert sich skeptisch.

"Viele kommen nicht zur Erbauung, sondern […] nach Art der Pharisäer, welche bloß eine Gelegenheit suchen."

Heute gilt Nikolaus von Flüe als Schweizer Nationalpatron. Er wurde 1417 auf dem Flüeli bei Sachseln geboren und führte zunächst das weltliche Leben eines wohlhabenden Freibauern. Als Richter und Ratsherr erwarb er sich öffentliches Ansehen, als Hauptmann nahm er unter anderem am Alten Zürichkrieg teil. Doch er litt auch unter Depressionen und Schlafstörungen und wurde von Visionen geplagt. Nach zwanzigjähriger Ehe mit der deutlich jüngeren Dorothea Wyss, bald nach der Geburt seines zehnten Kindes, wandte er sich radikal von seinem bisherigen Leben ab. 

"Ich war so tief niedergedrückt, dass mir selbst die liebe Frau und die Gesellschaft der Kinder lästig waren."

Als Einsiedler zog er sich in einen entlegenen Winkel seines Landbesitzes zurück. 1481 wurde er zur politischen Figur im Streit um die Aufnahme der Städte Freiburg und Solothurn in die Eidgenossenschaft. Das Bündnis stand kurz vor dem Bruch, ein Krieg drohte. Als eine Art neutrale Instanz wurde Bruder Klaus in letzter Sekunde um Schlichtung angerufen. Er selbst konnte weder lesen noch schreiben. Der Wortlaut der Botschaft, die ein Vertrauter in seinem Namen übermittelte, ist unbekannt. Doch sie ermöglichte die Einigung: das sogenannte "Stanser Vorkommnis", ein grundlegendes Vertragswerk der Alten Eidgenossenschaft. In der offiziellen Schlussrede der Verhandlungen hieß es:

"Als erstes bringt heim die Kunde von der Treue, Mühe und Arbeit, die Bruder Klaus in dieser Angelegenheit gezeigt hat! Ihm schulden wir wahrlich Dank."

Friedensstifter und Retter der Eidgenossenschaft - so wird Nikolaus von Flüe in Arthur Honeggers dramatischem Oratorium "Nicholas de Flue" dargestellt. Für Papst Pius den Zwölften, der ihn 1947 zum Heiligen der katholischen Kirche erhob, war er ein nahezu übermenschlicher Held.

"In jenen entscheidungsvollen Tagen ist Nikolaus von Flüe durch seinen Rat und die damals schon überirdische Kraft seiner Persönlichkeit der Retter des Vaterlandes geworden."

Die Krisenzeiten im Leben des Nikolaus von Flüe und die Widersprüche in seiner Persönlichkeit wurden in der Vergangenheit meistens eingeebnet. Seine Ehefrau Dorothea wurde als demütige Unterstützerin seines heiligen Lebensweges verklärt, ihr deutlicher Widerspruch gegen seinen Weggang von der Familie weitgehend ausgeklammert.

Nikolaus von Flüe starb am 21. März 1487. Auf die Frage, ob er nicht fürchte, mit seinem Lebensweg in die Irre zu gehen, soll er geantwortet haben:

"Wenn ich die Demut habe und den Glauben, so kann es nicht fehlen."

 

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Nikolaus von Flüe
auch: Niklaus, Bruder Klaus

* 1417 auf dem Flüeli bei Sachseln im Kanton Obwalden in der Schweiz
† 21. März 1487 daselbst

Niklaus wurdee schon als Kind von Visionen heimgesucht, schon als Jugendlicher hatte er einen ausgeprägten Hang zur Einsamkeit und zum stillen Gebet. Er nahm von 1440 von 1441 als Offizier am Krieg gegen Zürich teil, aber statt zu kämpfen schlug er sich lieber zum Gebet in die Büsche. Nach dem Krieg heiratete er Dorothee Wyss und wurde Vater von zehn Kindern. Er war Bauer und stieg 1459 zum Ratsherrn und Richter seiner Gemeinde in Flüeli auf. Man achtete ihn wegen seiner Gerechtigkeit und Klugheit; gegen höhere politische Aufgaben wehrte er sich. 1460 war er nochmals als Soldat am Feldzug gegen Thurgau beteiligt. Durch all die Jahre verließ ihn nie die heimliche Sehnsucht nach dem Einsiedlerleben. Als er seine Frau das erste Mal um Entlassung bat, lehnte sie entsetzt ab.

1467 verließ Niklaus seine Familie - das jüngste Kind war gerade ein Jahr alt -, um fortan als Einsiedler zu leben. Aus Angst vor dem Unverständnis und gar dem Zorn der Nachbarn über diese Entscheidung wollte er zunächst den Weg zu einer mystischen Bruderschaft in Basel einschlagen, fühlte sich aber von einer blutigen Vision kurz vor Basel zurückgerufen. Er ging zunächst weit weg von seinem Heimatort auf die Alpe Chlisterli im Melchtal, schließlich aber doch an den Ort, den er seit Kindestagen in einer Vision als seine Einsiedelei gesehen hatte: eine Klause der Ranftschlucht - heute St. Niklausen -, nur einige Minuten vom Haus seiner Familie auf dem Flüeli entfernt.

Niklaus lebte ein strenges Leben des Gebetes und der Buße, während der 19 Jahre seines Einsiedlerlebens nahm er außer der heiligen Kommunion keine festen Speisen zu sich, wie eine vom zuständigen Bischof angeordnete Untersuchung bestätigte. Geschlafen hat er auf einem Brett, als Kopfkissen benützte er einen Stein. Der Versuchung des Teufels, der ihn in einen Dornbusch warf, widerstand er.

Von weither kamen Menschen, um sich bei Bruder Klaus Rat zu holen, er galt als einer der ganz großen Berater und Seelsorger. Auf der Tagsatzung in Stans vermittelte er 1481 den Frieden zwischen den uneins gewordenen Eidgenossen und rettete so die Schweiz. Niklaus war einer der letzten großen Mystiker des Mittelalters. Seine Zeitgenossen beobachteten sein asketisches Leben neugierig und misstrauisch, schließlich überwogen aber Faszination und Vertrauen.

Das Grab von Bruder Klaus in Sachseln und die Kapelle St. Niklausen an der Stelle seiner Klause in der Ranftschlucht gehörten schon bald zu den wichtigsten Wallfahrtsorten der Schweiz. Niklaus ist der einzige in der Schweiz geborene traditionelle Heilige.
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Aus dem Ökumenischen Heiligenlexikon:
  • Name bedeutet: der Sieger über das / aus dem Volk (griech.)
  • Kanonisation: Niklaus wurde seit 1669 zu den Seligen gezählt, aber erst 1947 heiliggesprochen. 
  • Attribute: als Einsiedler, Stock, Rosenkranz 
  • Patron der Schweiz und des Kantons Obwalden 
  • Bauernregel (für 25. September): Steigen Nikolaus die Nebel nieder, / kommt der Winter mit Nässe wieder!
  • Gedenktag katholisch: 21. März 
  • Gedenktag evangelisch: 21. März
  • nicht gebotener Gedenktag im deutschen Sprachgebiet: 25. September 
  • Hochfest im Bistum Basel, Chur, St. Gallen, Sitten und Lausanne-Genf-Fribourg: 25. September 
  • gebotener Gedenktag im Bistum Feldkirch: 25. September 
  • nicht gebotener Gedenktag im Bistum Salzburg: 23. September
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