Foto: Theo Wasserhess
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Peter Zumthor: Bruder-Klaus-Kapelle
Lydia von Freyberg / WDR WestArt »Meisterwerke« / 02.03.2010
Trutzig steht sie da, schlicht und stark - wie ein Wehrturm auf freiem Feld: die Bruder-Klaus-Kapelle bei Mechernich in der Eifel. Errichtet hat sie der Schweizer Stararchitekt Peter Zumthor im Auftrag der Bauernfamilie Scheidtweiler aus dem nahegelegenen Wachendorf. Der Andachtsraum ist dem Heiligen Nikolaus von Flüe geweiht, einem Schweizer Mystiker aus dem 15. Jahrhundert. Zwanzig Jahre lang soll er als Einsiedler in einer Klause gelebt haben, vertieft ins Gebet und die Meditation. Der Heilige ist Schutzpatron der Katholischen Landjugendbewegung, in der sich die Familie Scheidtweiler seit Jahren engagiert.
Die Kapelle ist ein Ort zum Lobe Gottes und der Erde, außen erhaben, innen wie eine Höhle. Peter Zumthor hat den Innenraum aus 112 Fichtenstämmen geformt. Die Konstruktion wurde mit Beton umgossen und drei Wochen lang durch ein Köhlerfeuer getrocknet. Zum Schluss hat man die Bäume von oben aus der Öffnung gezogen. So ist ein Zelt entstanden, eine Art Grotte mit einem schimmernden Boden aus Zinnblei. Nur von oben fällt durch die offene Spitze das Sonnenlicht ein. In der dunklen Wand glitzern Hunderte kleiner Glashalbkugeln. Sie stecken in den Vertiefungen, die das Verschalungsgerüst hinterließ.
Der Außenkörper besteht aus 23 Lagen Beton. Sie wurden nach alter Handwerkertradition Lage für Lage geschichtet und gestampft. Als Material dienten Flußkies, Sand und Zement aus der Region. Die ganze Familie Scheidtweilter und viele freiwilige Helfer haben sich an der Arbeit beteiligt.
Peter Zumthor, der unter anderem das Kölner Diözesanmuseum Kolumba entwarf, hat bei diesem Auftrag auf sein Honorar verzichtet - nicht zuletzt deshalb, „weil der Innerschweizer Eremit ein Lieblingsheiliger meiner Mutter war“, wie er sagt.
Am 19. Mai 2007 weihte der Kölner Weihbischof Heiner Koch die Kapelle ein. Aus der Nähe betrachtet wirkt sie schroff, spröde, erdig, von weitem wie ein glatter Monolith.
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Einzigartiges Gotteshaus
Wer von Wachendorf aus Richtung Rißdorf spazieren geht, dem fällt sie sofort auf: die von Landwirt Hermann-Josef Scheidtweiler gestiftete Bruder-Klaus-Kapelle. Allerdings wird erst im Inneren klar, dass es sich bei diesem eigentümlich geformten Betonturm von 12 Metern Höhe um ein geweihtes Gotteshaus handelt. Allenfalls das kleine Kreuz über der dreieckigen Eingangstür weist von außen auf die sakrale Bedeutung des Gebäudes hin.
Entworfen und mitgebaut hat es der Schweizer Star-Architekt Peter Zumthor. Als der das Kölner Diözesanmuseum baute, schrieb ihm Scheidtweiler einen Brief. Darin bat der Mechernicher Landwirt den Eidgenossen, eine Kapelle zu entwerfen. Er wolle das Bauwerk Bruder Klaus widmen, also dem Heiligen Nikolaus von der Flüe. Der ist nämlich Schutzpatron der Katholischen Landjugendbewegung, die Scheidtweiler seit seiner eigenen Jugend am Herzen liegt.
Bruder Klaus (1417-1487, heilig gesprochen 1947) war aber auch Schweizer – und der Lieblingsheilige von Zumthors Mutter. So entstanden ein persönlicher Kontakt und ein einzigartiges Bauprojekt, für das der international renommierte Architekt auf jegliches Honorar verzichtete.
Zu Beginn der Bauphase wurden 112 Baumstämme im Wald von Bad Münstereifel für das Innengerüst der Kapelle geschlagen. Die wurden zu einem eher kleinen, zeltartigen Raum zusammengefügt, der nun in vielen Schichten mit Beton aus einer Mischung aus rötlich-gelben Sand, Flusskies und Zement verkleidet wurde. Als der zwölf Meter hohe Turm fertig war, köhlerten Scheidtweiler und seine Helfer aus Familie und dem Freundeskreis die Baumstämme durch ein drei Wochen brennendes Feuer aus. Der brenzliche Geruch wird noch lange in der Andachtsstätte wahrnehmbar sein und ist Programm: Alle vier Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Luft) sollen dort vereint werden. So kann durch eine Öffnung an der Spitze Regen eindringen und einen kleinen See auf dem besonderen Fußboden bilden: Der ist nämlich aus einem Blei-Zinngemisch hergestellt worden und bietet durch dieses ungewöhnliche Material eine Verbindung zur Bleiberg-Stadt Mechernich.
Bauhistoriker Dr. Carsten Vorwig vom Rheinischen Freilichtmuseum Kommern meint: "Von außen ist die Kapelle ungewöhnlich und sogar gewöhnungsbedürftig. Der Baustil ist völlig anders als ortsüblich. Wenn man aber ins Innere tritt, wird man mit einem Aha-Erlebnis wachgerüttelt, denn die Innenarchitektur ist völlig anders als erwartet. Die ungewöhnliche, aber gelungene Lösung fasziniert."
Mechernichs Stadtplaner Thomas Schiefer beschreibt seinen Eindruck zu der Kapelle so: "Das ist schon seltsam, inmitten der Landschaft eine harte architektonische Form. Architektur, die anzuecken scheint. Und dann in der Ruhe der Betrachtung stellt man fest, irgendwie ist das doch stimmig. Die Farbe des Betons passt zu den erdfarbenen Äckern der Umgebung, die Form ist ergänzender Teil der Landschaft, ohne diese zu verletzen. Im Innern, in der meditativen Stille des Raumes, werden die Elemente Licht, Wasser, Feuer plötzlich physisch wahrnehmbar. Das Leben des naturverbundenen Einsiedlers Bruder Klaus wird spürbar im Geruch des verbrannten Holzes, im Wasser auf dem Boden und im Licht, das beim Blick nach oben zu einem Sternenhimmel wird, der sich im Unendlichen zu verlieren scheint. In der Umsetzung all dessen in Architektur, dokumentiert sich ein Architekt, der sich auch heute noch Baumeister nennen darf. Die Architektur wird mit ihrer starken Aussagekraft zu Kunst - und zu einem Kleinod, für dessen Komposition wir Bauherrn und Baumeister in Zeiten schöpferischer Reduziertheit dankbar sein sollten."
Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick weist darauf hin, dass nicht jeder die Kapelle schön finden wird. "Jede Zeit hat ihren eigenen Baustil, auch was die Kirchen angeht. Vielleicht werden erst zukünftige Generationen dieses Bauwerk vermehrt schätzen. Architektur ist immer eine Sache des Geschmacks. Mir gefällt die Kapelle. Dort wird Spirituelles und Architektonisches vereint und der Innenraum ist ein wirklicher Andachtsraum. Spannend wird sein, wenn der Beton durch den Zahn der Zeit Patina ansetzt."
Bei gutem Wetter kommen tagsüber fast ständig Besucher zu dem Mechernicher Ausnahme-Gotteshaus. Schon am Parkplatz an der Hauptstraße durch Wachendorf ist ein Fußweg zur Andachtsstelle ausgeschildert.
Karl-Heinz Haus, der Generalsuperior der Mechernicher Ordensgemeinschaft "Communio in Christo", sieht die Kapelle als Experiment, dessen Besucherzustrom für sich spricht. Er sagt:
"Es ist bemerkenswert, dass eine gläubige Familie aus einer tiefen Verbundenheit mit dem Schweizer Nationalheiligen Nikolaus von Flüe in der Lage ist, mit einer öffentlichen Kapelle ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen, das über sich selbst hinaus weist. Was mich an Nikolaus von Flüe, einem der letzten spätmittelalterlichen Mystiker, beeindruckt: Er war nicht der lebensfremde Heilige, der fernab der Probleme der Menschen und der Welt Haus und Hof verlassen hat. Er wurde von den Zeitgenossen als »lebender Heiliger« in der Schweiz schon früh als Friedensstifter verehrt und als Ratgeber und Fürbitter von einfachen Menschen, auch von in- und ausländischen Gesandten, aufgesucht. Nichts ist für unsere Zeit dringlicher, als den Glauben mit unserem Leben und mit den Problemen der heutigen Welt und Gesellschaft zu verbinden."
Eines ist sicher: Die Bruder-Klaus-Kapelle macht Mechernich ein Stück berühmter. Sogar japanische Architekturstudenten wurden an dem „Mechernicher Monument“ angetroffen.
Quelle: http://mechernich.de/seiten/aktuelles/2007/07/Bruder_Klauskapelle.php
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Fotos von Florian Seiffert:


